Russland – der Nachtrag 2

Auf dem Weg von Solovjevsk (mongol./russ. Grenze im Nordosten der Mongolei) nach Vladivostok.

Ende Juni 2013

Es handelt sich um einen Grenzübergang, der bisher nur von russischen und mongolischen Bürgern passiert werden durfte, also ein kleiner Nebengrenzübergang. Seit ein paar Monaten ist er auch für ausländische Touristen geöffnet. Ca fünf km vor der Grenze hatte ich zunächst den Eindruck, wir sind falsch. Es gab keinen Hinweis zur Grenze, keine Straße, kein Verkehr, nach einer Flußdurchfahrt und Überquerung eines Feldes fuhren wir in die Richtung eines Dorfes. Wir fanden tatsächlich ein paar Spuren zu einem Grenzübergang, der aber geschlossen war. Auch hier ist die Grenze abends ab 6 bis früh um 9 dicht, es herrscht aber auch sehr wenig Verkehr. Wir übernachteten in dem Grenzdorf im Hof einer Familie. Nach dem Frühstück fuhren wir gleich zum Grenzübergang, mit Überraschungen?

Wir standen zunächst eine halbe Stunde vor dem mongolischen Schlagbaum, obwohl vor uns weit und breit kein Auto zu sehen war. Schließlich kamen wir an die „Reihe“, die üblichen Kontrollen – Pass- und Visaüberprüfung, Führerschein, Autopapiere, Versicherung, Einfuhrpapiere, Gepäckkontrolle – überstanden wir innerhalb einer Stunde. Nun standen wir vor dem russischen Schlagbaum, wir warteten über eine Stunde, aus der anderen Richtung wurden gerade zwei Fahrzeuge aus Polen kontrolliert. Die Grenze auf russischer Seite kann immer nur von einer Seite geöffnet werden. Schließlich kamen wir an die Reihe. Die für uns inzwischen bekannte unklare Auslegung unserer Visa haben wir überstanden, dann kam die Gepäckkontrolle. Ich sollte das Auto ausräumen, die Taschen ausleeren und die Gepäckstücke auf dem Gepäckträger herunterholen. Ich habe daraufhin einen Wutausbruch inszeniert, indem ich den Inhalt einer Tasche – ausgerechnet die Tasche mit Geschenken (T-shirts, Deutschlandkappen, Kugelschreiber usw.) – mitten auf die Straße schüttete. Ich habe dabei Schimpfworte verwendet, die in keinem Wörterbuch zu finden sind. Galja mußte daraufhin sowohl mich als auch die Grenzbeamten beruhigen (wie schon einige Male zuvor an den Grenzen – aber immer vorher abgesprochen!). So blieb es bei einer Tasche, alles andere Gepäck durfte im Auto bleiben und wir konnten schließlich weiterfahren. Das nächstgrößere Ziel war Cita, wo wir drei Tage in einem „Hotel“ im 5. Stock eines großen Wohnblocks verbrachten. Wichtig für uns war die Sicherheit unseres Autos, wir parkten in einem abgeschlossenen und bewachten Hinterhof. In Cita wurde zum 3. Mal der Gepäckträger repariert und Ölwechsel für Motor und Getriebe. Übrigens, wir fahren noch immer mit den in Irkutsk geschmiedeten Schwingfedern! Nun bereiteten wir uns für die über 3.000 km lange Fahrt nach Vladivostok vor. Die Straße von Cita nach Belogorsk (ca. 1800 km) ist erst seit dem vergangenen Jahr geteert, das tat unserem Gepäckträger und den Schwingfedern sehr gut. Lediglich eine Strecke von ca. 30 km war im Bau, die größte Baustelle, die ich in meinem Leben gesehen habe. Hunderte von Höhenmeter Geröll, Fels und Erde wurde abgebaut und zu einer anderen Stelle gebracht, wo es gebraucht wird für die Verbindung von zwei Bergketten. Statt Brücken und Tunnels werden dort Millionen von m3 Material bewegt. Dort gibt es natürlich keine Ausweichstraßen, sodaß der fließende Verkehr sich durch die Baustellen wälzt.

Auch auf dieser Strecke beobachteten wir weite Strecken verbrannter Wälder. Wir überquerten zigmal die Strecke der Transsibirischen Eisenbahn, die übrigens durchgehend von Moskau bis nach Vladivostok elektrifiziert ist. Die komplette Strecke ist zweispurig befahrbar, alle Schienen und Schwellen (aus Beton!) sind neu verlegt. Die Bahnübergänge sind so gut gesichert, daß es Zusammenstöße nicht mehr geben kann. Entweder erhebt sich auf beiden Seiten der Schienen ein ca ein Meter hoher Eisenblock aus der Straßenoberfläche oder es erheben sich 20 cm große Widerhaken aus Eisen entgegen der Fahrtrichtung aus der Straße. Wenn man darüber fährt, hat man automatisch auf beiden Vorderreifen einen Platten. Neben jedem Bahnübergang steht außerdem ein Wärterhäuschen, welches rund um die Uhr besetzt ist. Auf der Strecke der Transsib fahren außerdem sehr viele überlange Güterzüge, die meistens Öl, Benzin und Holz transportieren.

Auf der Strecke nach Vladivostok haben wir meistens auf großen Parkplätzen neben Tankstellen und Gasthäusern geschlafen, dort, wo wir von großen Lkws und Autotransportern umringt waren. Übrigens, auf der Strecke von Vladivostok nach Irkutsk ist doppelt so viel Verkehr als umgekehrt. Zu diesem Thema folgt ein separater Bericht.

In Skorovodino teilte sich die Straße. Nach Norden fährt man nach Jakutsk und dem 3000 km entfernten Magadan, wir fuhren weiter nach Osten Richtung Vladivostok. Ich habe mich ja schon lange vor der Reise auf die Fahrt durch Ostsibirien gefreut, man hat ja gewisse Vorstellungen, auch wenn man noch nicht dagewesen ist. Geprägt war die Strecke von Birkenwäldern, Bergen von max. 1000 m Höhe, wenig Besiedelungen und einer nicht endenden Straße, also wenig Abwechslung. Wir kamen aber trotzdem nicht zu schnell voran, denn alle paar km mußte man den Gang wegen Bodenwellen herunterschalten, die übrigens unsere geschmiedeten Schwingfedern immer noch gut aushielten!

In Blagovescensk machten wir einen Stopp. Diese Stadt liegt direkt an dem Fluß Amur, der auch die Grenze nach China darstellt. Die Amur ist an dieser Stelle ca ein km breit, man kann sehr gut die chinesische Stadt Xigangzi sehen, eine scheinbar sehr moderne Stadt mit vielen Hochhäusern, einem Vergnügungspark mit einem übergroßen Riesenrad. Die russische Stadt Blagovescensk möchte offensichtlich auch einen guten und modernen Eindruck hinterlassen, es sind viele Hochhäuser für Büros und Wohnungen im Bau. Es entsteht eine km-lange Promenade entlang der Amur. Auf den Baustellen in dieser russischen Stadt sieht man übrigens ausschließlich chinesische Bauarbeiter, und die Russen klagen über Arbeitslosigkeit.

Einen Zwischenstopp machten wir in der Nähe von Chabarovsk, wo eine Schwägerin von Galja wohnt. Sie siedelte in den 80er Jahren mit Kind und Kegel – einschließlich Kuh und Ziege – nach Ostsibierien um. Die damalige sowjetische Regierung bot vielen Familien im Westen der Sowjetunion an, in den Osten umzusiedeln, bekamen Grund und Geld geschenkt, damit sich möglichst viele für die Umsiedlung entscheiden. Die Sowjetunion sollte in Ostsibirien mit dieser Maßnahme mehr besiedelt werden, jedoch nicht mit dem erhofften Erfolg. Die Schwägerin wohnt mit ihrem Mann und Schwiegermutter in einem kleinen Gehöft. Wir hatten zwar vor, ein paar Tage bei ihr bleiben, aber bereits am Tage der Anreise haben wir sie wieder „fluchtartig“ verlassen. Kleine schwarze Fliegen – ich hab sie nicht gezählt, aber ich schätze, es waren Milliarden – stürzten auf uns ein. Sobald wir uns im Freien aufhielten, konnten wir uns nicht mehr erwehren. Besonders schlimm war es für Davit, er konnte sich ja nicht wehren. So beschlossen wir, noch am gleichen Tag wieder abzureisen. Wir wurden zwar mehrfach vor dieser Fliegenplage gewarnt, ich dachte jedoch, es wird nicht so schlimm sein. Weit gefehlt…….

Wir steuerten nun Vladivostok an. Die erste Etappe unserer Reise geht langsam dem Ende zu. Wir wollen uns ja in Vladivostok entscheiden, wie es weiter geht. Drei Alternativen haben wir vorbereitet, 1. Fahrt nach Hause durch Russland, 2. Fahrt nach Hause über Süd-Asien (China, Indien) oder 3. Transfer nach Amerika. Wir sind nicht reisemüde, deswegen haben uns bereits jetzt schon für die große „Umrundung“ entschieden.

Vladivostok war bis zum Verfall der UdSSR eine verbotene Stadt, kein Ausländer – selbst Russen, die nicht in Vladivostok wohnen – hatten keinen Zugang. Vladivostok war eine Militärstadt mit wichtigem Hafen. Seit der Wende hat sich die Stadt fein herausgeputzt, man spürt internationalen Flair, die Innenstadt unterscheidet sich kaum von den Städten der westlichen Welt. Es wurde sehr viel Geld für die Infrastruktur investiert. Es gibt neue Brücken, einen neuen Flughafen, neue und breite Straßen, große Universitäten. Unsere weiteren Pläne sahen nun so aus, dass wir nach Möglichkeiten suchten, unser Auto über den Pazifik zu bringen und von der Westküste Amerika’s unsere Reise fortsetzen. Wir hatten Glück, ein Engländer, der sein Auto nach Vancouver in einem Container verschiffen wollte, suchte noch ein Mitfahrfahrzeug, denn der Container war groß genug, um zwei Fahrzeuge zu transportieren. So teilten wir uns die Kosten und flogen mit dem „gesparten“ Geld über Seoul nach Seattle.

Vier Monate waren wir inzwischen unterwegs. Neun Länder durchquerten wir, fast 20.000 km sind wir gefahren, das wichtigste für uns waren die vielen Freundschaften, die wir schließen konnten.

Wir würden diese Reise nochmal antreten…..

Tschüss Asien!